Referenzen
*Social influence and social change, London: Academic Press, 1976; dt.: Sozialer Wandel durch Minoritäten, München Wien Baltimore: Urban & Schwarzenberg, 1979 (wieder aufgelegt u.d.T., München: Urban u. Fischer, 1991)
*L’Age des foules: un traité historique de psychologie des masses, Fayard, 1981; dt.: Das Zeitalter der Massen: e. histor. Abh. über d. Massenpsychologie, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1986
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Minoritäteneinfluss (lat. minor „der Kleinere“) beschreibt den sozialen Einfluss einer Minderheit auf die Mehrheit. In der Politik, der Kunst und der Wissenschaft kann Minderheiteneinfluss Fortschritte und Erneuerungen bewirken.
Minderheiten können zwischen numerischen und sozialen Minderheiten unterschieden werden.
Numerische Minderheiten gehören zur selben sozialen Kategorie wie die Mehrheit, vertreten aber eine andere Meinung als diese. Politiker, die eine andere Meinung bezüglich bestimmter Sachverhalte (z. B. Migrations-, Gesundheitspolitik) als die Mehrheit ihrer Kollegen vertreten, stellen zum Beispiel eine numerische Minderheit dar.
Soziale Minderheiten vertreten eine andere Meinung als die Mehrheit und gehören einer anderen sozialen Kategorie als diese an. Soziale Minderheiten sind beispielsweise Homosexuelle oder religiöse Minderheiten.
Der Einfluss numerischer Minderheiten ist stärker als der Einfluss sozialer Minderheiten. Dies konnte in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden.
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Serge Moscovici (Srul Herș Moscovici; * 14. Juni 1925 in Brăila, Rumänien[1]; † 16. November 2014 in Paris[2]) war ein französischer Sozialpsychologe rumänischer Herkunft. Er war Direktor des Laboratoire Européen de Psychologie Sociale am Maison des Sciences de l’Homme in Paris. Der EU-Kommissar und ehemalige französische Finanzminister Pierre Moscovici ist sein Sohn. Er war Professor am Institut Jean-Jacques Rousseau der Universität Genf, an der Université catholique de Louvain und an der Universität Cambridge und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2003 den Balzan-Preis für Sozialpsychologie.
Er war Mitherausgeber des European Journal of Social Psychology (1969–1974), des Journal for the Theory of Social Behavior (1985) und der Reihe Psychologie Sociale, PUF (ab 1991) sowie Herausgeber (1982) der European Studies in Social Psychology, CUP und Editions de la Maison des Sciences de l’Homme, Paris. 1990 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Academia Europaea gewählt.
Serge Moscovici beschäftigte sich mit der Frage, wie Minderheiten (Minoritäten) Einfluss auf Mehrheiten (Majoritäten) ausüben. Er kam zu dem Fazit, dass im Wesentlichen der Verhaltensstil der Minorität wichtig sei. Moscovici unterscheidet die folgenden Verhaltensstile:[4]
Investition, das heißt Einsatz und persönliche Opfer für die Sache der Minderheit.
Autonomie, dieser Verhaltensstil vermittelt Unabhängigkeit, Entschlossenheit und Objektivität.
Konsistenz. Konsistentes Verhalten vermittelt Selbstsicherheit und unerschütterliche Entschlossenheit.
Rigidität.
Fairness.
Die Verhaltensstile müssen nicht stets gemeinsam und in Reinform gezeigt werden. Insbesondere ist es für eine Minderheit schwer, gleichzeitig rigide und fair zu agieren. Die Wirksamkeit der Verhaltensstile für einen verstärkten Einfluss auf die Gesellschaft ist außerdem vom Gegenstand der Minderheitenmeinung und den gesellschaftlichen Umständen abhängig.
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Versuch zur Farbwahrnehmung
Umkehrung des Asch-Experimentes, à 6 Personen, welchen blaue Dias gezeigt wurden, die allerdings in ihrer Intensität variierten. Die Aufgabe der Versuchspersonen war es, die Farbe laut zu beurteilen.
Ergebnis: in einer Gruppe hat ein Abweichler immer (Konsistenz!) „grün“ gesagt: Es ist ihm gelungen 8,42 % der Versuchspersonen davon zu überzeugen, auch „grün“ zu sagen; es lag damit eine echte Meinungsänderung bei den Versuchspersonen vor.
Wenn ein Abweichler im Gegenteil nicht konsistent ist, ist es ihm nicht möglich, einen so großen Teil der Majorität von seiner Meinung zu überzeugen (in diesem Experiment waren es 1,25 %).
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Konversionstheorie
Moscovicis Konversionstheorie versucht zu erklären, warum eine Mehrheit nur eine oberflächliche Verhaltensanpassung bewirkt und eine Minderheit eine echte Einstellungsänderung bewirkt. Nach dieser Theorie löst die Mehrheitsmeinung einen interpersonellen zu sozialen Vergleichsprozessen führenden Konflikt aus, der zu einer oberflächlichen Verhaltensanpassung führt. Dies geschehe ohne tieferes Nachdenken über das sachliche Problem. Die Minderheitsmeinung führe zu einem kognitiven Konflikt, der einen Validierungsprozess auslöst. Dies bedeute, dass man darüber nachdenkt, welcher Standpunkt der richtige ist und dabei entwickelte Argumente und Gegenargumente in Bezug auf die Meinung der Minderheit gegeneinander abwägt. Je stärker der kognitive Konflikt ist, desto wahrscheinlicher sei eine Änderung der Einstellung in Richtung der Minderheitsmeinung.
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Zur Konversionstheorie in Widerspruch stehende Erkenntnisse
Untersuchungsergebnisse Mackies (1987) widersprechen Moscovicis Konversionstheorie. Die Konversionstheorie besagt, dass gerade Minderheiteneinfluss eine gründliche Informationsverarbeitung auslöst. Die Untersuchungsergebnisse von Mackie belegen, dass vor allem Mehrheitsmeinungen gründlich verarbeitet werden. In ihrer Untersuchung operationalisierte sie Variablen wie Konfliktstärke und Qualität der Argumente. Die Mehrheit stellt die Meinung, die am wahrscheinlichsten zutrifft, und eine positive Identifikation dar. Dadurch kommt es zu einer gründlichen Informationsverarbeitung der Mehrheitsmeinung. Wenn dieselbe Meinung von einer Minderheit stammt, findet sie nur wenig Beachtung. Voraussetzungen für eine gründliche Informationsverarbeitung sind, dass der Empfänger über die notwendige Fähigkeit und Motivation zur Verarbeitung der Information verfügt und die Qualität der Argumente hoch ist.
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Moscovici, S.. (2020). Reflections on the Popularity of ‘Conspiracy Mentalities’. International Review of Social Psychology
Plain numerical DOI: 10.5334/irsp.432
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“
In this text from a lecture made in 2006, serge moscovici (1925-2014) seeks to update his earlier work on the ‘conspiracy mentality’ (moscovici, 1987) by considering the relationships between social representations and conspiracy mentality. innovation in this field, moscovici argues, will require a much thorough description and understanding of what conspiracy theories are, what rhetoric they use and what functions they fulfill. specifically, moscovici considers conspiracies as a form of counterfactual history implying a more desirable world (in which the conspiracy did not take place) and suggests that social representation theory should tackle this phenomenon. he explicitly links conspiracy theories to works of fiction and suggests that common principles might explain their popularity. historically, he argues, conspiracism was born twice: first, in the middle ages, when their primary function was to exclude and destroy what was considered as heresy; and second, after the french revolution, to delegitimize the enlightenment, which was attributed to a small coterie of reactionaries rather than to the will of the people. moscovici then considers four aspects (‘thematas’) of conspiracy mentality: 1/ the prohibition of knowledge; 2/ the duality between the majority (the masses, prohibited to know) and ‘enlightened’ minorities; 3/ the search for a common origin, a ‘ur phenomenon’ that connects historical events and provides a continuity to history (he notes that such a tendency is also present in social psychological theorizing); and 4/ the valorization of tradition as a bulwark against modernity. some of moscovici’s insights in this talk have since been borne out by contemporary research on the psychology of conspiracy theories, but many others still remain fascinating in this text from a lecture made in 2006, serge moscovici (1925–2014) seeks to update his earlier work on the ‘conspiracy mentality’ (moscovici, 1987) by considering the relationships between social representations and conspiracy mentality. innovation in this field, moscovici argues, will require a thorough description and understanding of what conspiracy theories are, what rhetoric they use and what functions they fulfill. specifically, moscovici considers conspiracies as a form of counterfactual history implying a more desirable world (in which the conspiracy did not take place) and suggests that social representations theory should tackle this phenomenon. he explicitly links conspiracy…”
Mora, M.. (2002). La teoría de las representaciones sociales de Serge Moscovici. Athenea Digital. Revista de Pensamiento e Investigación Social
Plain numerical DOI: 10.5565/rev/athenead/v1n2.55
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“En este escrito se describe y analiza el modelo de las representaciones sociales desde el punto de vista del propio moscovici, así como desde la perspectiva de investigadores que han trabajado en esta línea, procurando apuntar algunas notas acerca de la teoría como su metodología.”
Bray, R. M., Johnson, D., & Chilstrom, J. T.. (1982). Social influence by group members with minority opinions: A comparison of Hollander and Moscovici. Journal of Personality and Social Psychology
Plain numerical DOI: 10.1037/0022-3514.43.1.78
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“In exp i (144 male undergraduates), 4-person groups discussed 3 opinion issues that were selected to permit a confederate (c) to argue for the minority position. in the strategy proposed by e. h. hollander (see record 1959-08073-001), the c argued the minority position only on the last issue, whereas in the strategy proposed by s. moscovici and c. faucheux (1972), the c argued it on every issue. groups also worked a difficult math puzzle, by which the c showed or did not show competency by solving or not solving the problem. exp ii followed the same procedure except that both males and females were tested; groups contained 6 members with 2 cs, and cs worked 2 word problems to show competence. for males, results across both experiments showed that hollander’s model produced significantly greater influence than moscovici’s model and showed a pattern of greatest influence under conditions of high competence. in contrast, results for females showed the moscovici and hollander strategies to be equally effective, regardless of competence. overall, female groups were influenced less than male groups, and both models showed significant influence relative to baseline control ss. (19 ref) (psycinfo database record (c) 2006 apa, all rights reserved). © 1982 american psychological association.”
Billig, M.. (2008). Social representations and repression: Examining the first formulations of Freud and Moscovici. Journal for the Theory of Social Behaviour
Plain numerical DOI: 10.1111/j.1468-5914.2008.00375.x
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“The english edition of moscovici’s classic work on the social representation of psychoanalysis enables us to reflect on the historical origins of psychoanalytic ideas and of social representation theory itself. moscovici claimed that science was both univocal and abstract and, in these respects, it differs from the social representations of commonsense. this paper explores these notions, especially in relation to moscovici’s claim that psychoanalytic theory is to be found in freud’s first formulations. it is suggested that some of the processes, which moscovici attributes to the passage of psychoanalytic ideas to commonsense, can be found occur in the early history of psychoanalysis. this can be seen in freud’s criticisms of the way jung used the concept of ‘complex’. moreover, psychoanalytic theory could never be univocal for it incorporated the voices of patients and their representations of the world. an examination of studies on hysteria reveals further multivocality as freud uses both the ‘action’ language of ordinary life and the reified, nominalized language of science. examples are given in relation to the first formulations of the key psychoanalytic concept of ‘repression’. some comparisons are made between freud’s first formulations of ‘ repression’ and moscovici’s first formulations of ‘social representation’. © 2008 the executive management committee/blackwell publishing ltd.”
Fernandes Lobo, R., & Martins Furquim Werneck, M.. (2018). A interdisciplinaridade do conceito de Representações Sociais de Serge Moscovici. Revista Ciências Humanas
Plain numerical DOI: 10.32813/rchv11n12018artigo1
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“O presente artigo aborda a teoria das representações sociais, estabelecida por serge moscovici, a partir de uma perspectiva interdisciplinar, buscando critérios para o uso dessa teoria em pesquisas históricas, através do diálogo entre a obra de moscovici com importantes linhas teóricas da historiografia. busca-se também uma forma de aproximar os conceitos de representação social e ideologia, pois tal aproximação permite identificar as relações de poder existentes na criação e na disseminação das representações. para evidenciar o modo como as representações sociais podem transmitir ideologias é analisado o papel da mídia e o modo como esta exerce pressão sobre a dinâmica das representações predominantes no chamado senso comum.”