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Thomas-Theorem (Soziologie)

“If men define situations as real, they are real in their consequences”

„Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind diese in ihren Konsequenzen wirklich“

– W. I. Thomas und D. S. Thomas

*William Isaac Thomas: The Methodology of Behavior Study. Chapter 13 in The Child in America: Behavior Problems and Programs. Alfred A. Knopf, New York 1928, S. 553–576.

Die These wird in dem 1928 erschienenen Buch von W. I. und D. S. Thomas erläutert, und zwar am Beispiel von paranoidem Verhalten: Auch äußerst subjektive Berichte haben einen Wert für die Verhaltensforschung, denn der wichtigste Punkt für die Verhaltensinterpretation sei, wie der Handelnde seine Situation wahrnehme. Manifest werdende Verhaltensprobleme sind häufig auf eine Diskrepanz zurückzuführen in der Beurteilung der Situation durch den Handelnden, und wie dieselbe objektive Situation von anderen gesehen wird. Im Beispielsfall hat ein Mann Menschen umgebracht, die die Gewohnheit hatten, auf der Straße mit sich selbst zu sprechen. Der mehrfache Mörder hatte sich eingebildet, dass diese Passanten ihn beschimpfen würden. Wenn Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie wirklich in ihren Konsequenzen.

***

Vorläufer und Parallelen

Epiktet: Was den Menschen stört und in Schrecken versetzt, sind nicht Handlungen, sondern Meinungen und Vermutungen über Handlungen.

George Herbert Mead: Wenn ein Ding nicht als wahr anerkannt ist, dann fungiert es nicht als wahr innerhalb der Gemeinde. („If a thing is not recognized as true, then it does not function as true in the community.“)

Der Sozialwissenschaftler Richard Albrecht hat es in den letzten Jahren in Erinnerung gebracht und in zwei Feldern angewandt: einmal in einem Vortrag über die Wirksamkeit von Mythen am Beispiel des „Rheinmythos“, und zum anderen in einem Beitrag zur „Völkermordmentalität“ im Zusammenhang mit historischer und soziologischer Genozidforschung.